TatschMo spielt "Stadtspieler"

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In Zusammenarbeit mit der Koordinationsstelle der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe in Traunstein (Oberbayern) entstand ein Pilotvorhaben für Berufsintegrationsklassen, in dem das Spiel "Stadtspieler" unterstützt, den komplexen Unterrichtsstoff "Partizipation" anschaulich zu machen.

Eine mehrmodulige Unterrichtseinheit wurde konzipiert und umgesetzt. Das Spiel "Stadtspieler" wurde dafür an die individuelle Situation und Aufgabenstellung angepasst.

"Partizipation – ein komplexer Begriff wird lebendig"

Asylbewerber, die zwei Berufsintegrationsklassen der Staatlichen Berufsschule I in Traunstein besuchen, planen mithilfe des Spiels "Stadtspieler" eine Stadt.

"Partizipation" – was bedeutet dieser Begriff konkret? Was hat er mit der persönlichen Lebenswelt zu tun? Diesen Fragen gingen die 30 Schüler zweier Berufsintegrationsklassen der Staatlichen Berufsschule I in Traunstein nach.

Partizipation ist in aller Munde. Bürger- und insbesondere auch Kinder- und Jugendbeteiligung wird zunehmend großgeschrieben. Sie ist aus der Stadt- und Regionalentwicklung nicht mehr wegzudenken. Die Staatliche Berufsschule I in Traunstein, die bereits mehrere Jahre junge Asylbewerber beschult, vermittelt nicht nur den Lernstoff, sie bereitet ihre Schüler auch umfassend auf das Leben in der deutschen Gesellschaft vor.

So wurde von Natalia Wolf, die als Dozentin der Volkshochschule Traunstein die beiden Klassen in Deutsch unterrichtete und die sozialpädagogische Betreuung inne hatte und Christiane Wellensiek, der Inhaberin von TatschMo, eine 6-stündige Unterrichtseinheit zum Thema "Partizipation" entwickelt.

Sie umfasst drei Module:

  • Darstellung der Bedeutung von Partizipation und ihrer Facetten im täglichen Leben
  • Durchführung einer Mit-Mach-Aktion unter Einsatz des modifizierten Trainingsspiels "Stadtspieler"
  • Ideenentwicklung für Partizipation im persönlichen Leben der Jugendlichen

Das Herzstück der Unterrichtseinheit stellte das Planspiel als innovative Methode dar. Dabei war das Ziel, die Schüler anzuregen, ihre Wünsche und Vorstellungen mitzuteilen, wie sie sich ein Lebensumfeld vorstellen, in dem gute Bedingungen zum Wohnen, Arbeiten und zur Freizeitgestaltung herrschen. Die einzelnen Facetten von Partizipation wie teilhaben, sich einbringen, mitbestimmen, mitwirken, Konflikte lösen, Verantwortung übernehmen, mitgestalten sollten mithilfe des Spiels anschaulich und erlebbar werden. Auch sollten die Schüler eine Vorstellung gewinnen, wie Partizipation die Kommunikation, das gesellschaftliche Miteinander und damit auch die Integration fördert.

Die Spielidee fußt auf den Erfahrungen und Anregungen des Spiels "Stadtspieler – Trainingsspiel für Stadtentwicklung und Kreativität" (www.stadtspieler.com), das speziell für kreative Beteiligungsprozesse von Bürgerinnen und Bürgern zur Stadtteil- und Regionalentwicklung konzipiert wurde.

Die Schüler schlüpften in andere Rollen und wurden zu "Gestaltern von einer Stadt oder einem Dorf". Sie machten sich Gedanken und diskutierten darüber, was in ihrem Lebensumfeld gut funktioniert, aber auch fehlt, verbesserungswürdig ist oder noch bekannter gemacht werden müsste.

Das Spiel hat sie motiviert, kreativ zu werden. Den Ideen und Vorschlägen wurden mithilfe von Knete "Gestalt gegeben". Auf einem Spielbrett mit einem fiktiven Stadtplan entstand eine gemeinsam geplante Stadt. Meinungsaustausch, Diskussion und "Bauen" wurden zu einem lebendigen Mix, der jeden mitriss, sich einzubringen und mitzumachen.

Die Schüler beider Klassen, die zwischen 15 und 18 Jahre alt sind und aus unterschiedlichsten Ländern (Somalia, Syrien, Afghanistan, Eritrea, Mali, Gambia, Togo, Irak und Pakistan) stammen, waren interessiert, motiviert, wissensdurstig und voller Tatendrang. In jeweils zwei Gruppen entwickelten sie ihre Vorstellungen.

Beeindruckend war, mit welch guten Sprachkenntnissen die Schüler aufwarten konnten.

Beim Spiel war insbesondere Kreativität gefragt – und davon gab`s ebenfalls jede Menge!

Die Ergebnisse konnten sich sehen lassen. Sowohl Natalia Wolf, als auch Christiane Wellensiek wurden von der Reife der Schüler überrascht, die die Funktionsfähigkeit einer Stadt und nicht den Spaß und Freizeit für Jugendliche in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellten. Als erstes Gebäude stand bei drei von vier Gruppen eine Schule!

Die Schüler dachten an alle Bedürfnisse jeder Altersgruppe. So kam Jung & Alt bei den Stadtplanungen zum Zug.

Ein Wohnraum in Mehrfamilienhäusern mit Balkon und Garten wurde geschaffen. Geschäfte für Bekleidung und Lebensmittel sicherten gute Einkaufsmöglichkeiten. Rathaus, Gericht, Polizei, Arbeitsamt, Post und Banken boten die notwendige Infrastruktur für alle wichtigen Erledigungen. Arzt und Krankenhaus kümmerten sich um körperliches Wohlergehen und Gesundheit. Ein Gewerbegebiet bot Arbeitsplätze für unterschiedliche Talente und auch an eine Universität wurde gedacht. Kita, Jugendtreff und Altersheim mit Park in ruhiger Lage machten die Stadt für Familien und Senioren gleichermaßen attraktiv. Ein Flugplatz, eine gut ausgebaute Buslinie, ein Bahnhof mitten im Zentrum schafften Mobilität. Ein Reisebüro, Hotels, Gästehäuser, Restaurants verschiedener Kategorien lockten Gäste in die Stadt. Kirchen und Moscheen erlaubten ein vielfältiges religiöses Leben. Kultur und Freizeit kamen nicht zu kurz: Museen, Kino, Disco, Zoo – an alles wurde gedacht.

Auch der Stadtrand wurde einbezogen und mit einem stadtnahen Waldgebiet und Bauernhöfen mit Hofläden geplant. Sportplätze für Fußball, aber auch Basket- und Volleyball standen hoch im Kurs. Die Gründung einer Cricket-Mannschaft lieferte viel Stoff zur Diskussion. Ein Schwimmbad und Skater-Zentrum kamen flugs dazu.

So waren die "Reißbretter" der fiktiven Städte flott bebaut und vor dem inneren Auge tat sich ein reges, buntes Stadtleben auf. Das originellste Symbol stand für "Frisör" – eine pastell-rote Schere, geformt aus Bienenwachs. Das soll erst mal einer nachmachen!

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Begleitet von lebendigem Stimmengewirr sprudelten die Ideen. Die Schüler planten und verwarfen, deckten Schwachstellen auf, fanden Lösungen, schafften Kompromisse, entwickelten Kooperationen, vernetzten sich - fühlten sich zuständig für "ihre Stadt".

Man lockte die Mitspieler mit spannenden Angeboten in die selbst geplanten Gebäude, verlieh Preise für besonders gelungene und wichtige Bauten, erdachte Stadt-Namen. Zum guten Schluss wurden Sprecher zur Präsentation der Planungen gewählt.

Ein "Gutes-Beispiel" von phantasievoller und kreativer Vermittlung komplexer Lerninhalte ist den Initiatorinnen gelungen. Begeistert waren sowohl die Schüler, als auch sie selbst.

Den Schülern gefiel das Lernen mit "Kopf, Herz und Hand". Alle hatten viel Spaß, lernten sich besser kennen und vertieften ihre Kenntnisse über die Möglichkeiten, wie man sich gemeinsam engagiert.

Das Spiel ermöglichte zudem, Sprache anzuwenden. Es erforderte, Wörter in neuen Sinnzusammenhängen zu gebrauchen und zeigte, "Deutschunterricht kann mehr sein als nur Grammatik", wie ein Schüler zum Schluss bemerkte.

Ein vierter Baustein einer solchen Unterrichtseinheit sollte sein, die von den Jugendlichen zusammengetragenen Planungen im Detail zu durchdenken und gemeinsam zu überlegen, welche Idee, in die Tat umgesetzt werden könnte. Dieser Schritt dient dazu, dass den fiktiven Planungen reale positive Erlebnisse in der Freizeit oder in der beruflichen Fortentwicklung folgen, und sich bestätigt, dass Partizipation nicht nur eine Worthülse darstellt, sondern gelebte Wirklichkeit unseres gesellschaftlichen Miteinanders ist.


Ansprechpartnerinnen:
Christiane Wellensiek; wellensiek@tatschmo.de
Natalia Wolf; fluechtlingshelfer@selbsthilfe-traunstein.de